2023 habe ich den Haushalt meines Vaters aufgelöst, da der Umzug in ein Pflegeheim einige Zeit zuvor unumgänglich geworden war. Dabei kam eine Fülle von Fotos und Filmen zum Vorschein. Viel davon kannte ich, aber vieles auch nicht. Nach und nach digitalisiere ich das Material, und dabei hat sich mir immer wieder eine Frage aufgedrängt: Erwirbt man das Interesse für bestimmte Themen als genetische Anlage oder über die Sozialisation? Vermutlich beides.
Mein Großvater von mütterlicher Seite war vor dem 2. Weltkrieg begeisterter Motorradfahrer und von Beruf Kraftfahrer. So ‚durfte‘ er nachdem man ihn zur Wehrmacht eingezogen hatte, Munitionsnachschub per LKW transportieren. Den Angriff englischer Jagdflieger auf einen solchen Transport überlebte er nur deshalb, weil er rechtzeitig befehlswidrig aus dem fahrenden LKW sprang. Und während er schwerstverletzt in einer Hamburger Klinik lag, kam ein großer Teil seiner Familie bei dem schweren Luftangriff auf Heilbronn am 4. Dezember 1944 ums Leben.
Ca. 1958: Endlich wieder glücklichere Tage. Im ersten eigenen Auto links meine Mutter, davor kniend mein Vater. Rechts mein Großvater, der Kraftfahrer, der bald nach der Entstehung des Fotos wieder in seinen angestammten Beruf zurückkehrte. (Foto: Familienarchiv)
Es sollte bis Ende der fünfziger Jahre dauern, bis er wieder am Lenkrad eines LKWs sitzen sollte. Und diesmal waren es richtige Kraftpakete. Die Firma Kaelble in Backnang sollte bis zu seiner Pensionierung sein Arbeitgeber sein.
Kaelble baute nicht nur eine der ersten Straßenwalzen, sondern auch schwerste Zugmaschinen. (Foto Werner M.)
Letzen Sommer meinte 91-jährige Mutter noch, dass ihr Vater glücklich gewesen wäre, wenn er erlebt hatte, wie Motorrad-verrückt ich sei. Gut möglich also, dass hier die Gene nicht ganz unbeteiligt sind.
Meine Mutter Anfang der fünfziger Jahre auf der ersten NSU Lambretta meines Vaters. (Foto Werner M.)Kurz zuvor war mein Vater noch mit dem Fahrrad unterwegs. In den Jahren nach dem Krieg war froh, wer ein Fahrrad besaß. Während der letzten Jahre seines Berufslebens fand er wieder viel Gefallen am Radeln. (Foto: Familienarchiv)Und hier im NSU-Museum mit einer Lambretta, wie er sie gefahren hat. (Foto Astrid M.)
Mein kürzlich verstorbener Vater war handwerklich ausgesprochen geschickt. Aber das Schrauben am Fahrzeug war nicht sein Fall, dafür brachte er es in die Fachwerkstatt. Mein Sohn Piet tickt da ganz ähnlich, er überlässt das Schrauben einfach mir.
Mit dem Einsetzen des ‚Wirtschaftswunders‘ rückte für viele der Kauf eines Autos in greifbare Nähe. Bei meinen Eltern war es dann eine BMW Isetta.
Mit der Isetta in die Alpen, hier nahe Salzburg. (Foto: Familienarchiv)Ich finde SUV-Fahrer sollten angesichts dieser Dimensionen mal über ihre Fahrzeugwahl nachdenken. (Foto: Werner M.)
Allerdings folgte vermutlich aus finanziellen Gründen auf die Isetta wieder eine Lambretta, als ich zur Familie stieß. In einem Kindersitz am Beinschild montiert machte ich meine ersten Erfahrungen auf einem motorisierten Zweirad. Den ersten Autounfall erlebte ich dann in einem Gogomobil. Überhaupt hatte mein Vater damit wenig Freude.
Ein solches Gogo-Cabrio hätte mein Vater sicher auch schick gefunden. (Foto: Werner M.)
Und so kam bald das erste ‚richtige‘ Auto: Ein Opel Rekord. Und mit dem Rekord dann auch die ersten längeren Familien-Urlaubsreisen in den Süden.
Der Opel war ein Quantensprung. Und sein Design nahm kräftig Anleihen an den amerikanischen Heckflossen-Dickschiffen. (Foto: Werner M.)Ganz rechts der Autor im Zahnlückenalter, zusammen mit dem US-Vetter und meiner Mutter. (Foto: Werner M.)
Der Opel machte mehrere Italien- und Jugoslawien-Reisen möglich. Soweit ich mich erinnere, wechselte er bei Km-Stand 180 000 den Besitzer und zog in die Türkei um. Der Nachfolger hatte schon das typische 70er-Jahre-Design und ein tolles Metallic-Blau. Und mehr PS, schließlich sollte er ab 1973 einen Wohnwagen von Corsar ziehen. Was er dann auch bis nach Spanien machte.
Gleich geht’s in den Urlaub. (Foto: Familienarchiv)Nein, unserer war kein Coupé, und der Farbton war kräftiger. Mit ihm durfte ich das Aus- und Einparken in die Garage üben, denn nur so kam ich an mein Mokick und bald darauf die erste Honda. (Foto: Werner M.)
Tatsächlich war das der Opel, den ich am meisten mochte, und der mir auch vom Design am besten gefiel. Auch er war ein Dauerläufer und quittierte erst mit ähnlich hoher Laufleistung wie der Vorgänger den Dienst.
Meine Eltern bei der Sitzprobe auf meiner ersten Honda.Und wieder geht es auf Reisen. Der Wohnwagen ist geblieben und passt heute stilsicher ins Fahrerlager bei den Läufen der DHM.Mit solche einem Opel sammelte ich dann erste Auto-Erfahrungen, nachdem endlich der Führerschein der Klassen 1 und 3 gemacht war.Mit diesem Gespann war mein Vater noch viele Jahre unterwegs. Als ich schon mein Studium abgeschlossen hatte und berufstätig war, unternahmen wir mit dem Omega tatsächlich noch eine gemeinsame Schottland-Reise……und bald darauf ging die nächste Generation an den Start.
Tatsächlich kehrte mein Vater als Pensionär zum motorisierten Zweirad zurück. Nach einigem Hin- und her leistete er sich wieder einen Roller.
Das Solex kam kaum zum Einsatz. Ich denke die Erkenntnis, dass seine Leistung für das hügelige Umland nicht ausreichend war, war hier entscheidend. Da hilft dann auch der Kult-Status nicht wirklich weiter.Einige Jahre war er noch mit einem 125er Taiwan-Roller unterwegs. Alter und eine Parkinson-Erkrankung beendeten dann auch dieses Kapitel.
Die Frage bleibt offen: Wie ist meine Motorrad-Begeisterung entstanden? Genetisch weiter gegeben? Oder Folge einer von den 60er- und 70er-Jahren geprägten Sozialisation? Egal. Hauptsache der Spaß daran bleibt!