Motorrad

Bamberg-Tour

Inzwischen hat sich unsere Rentner-Alteisentreiber-Gang fest etabliert. Etwa alle 6 – 8 Wochen treffen wir uns reihum zum Frühstück und tauschen uns über unsere alten Motorräder, unsere aktuellen Werkstatt-Projekte und alles was die Welt sonst noch so bewegt aus. Bei einer dieser Frühstücksrunden kam noch im Winter die Idee auf, mal eine mehrtägige Tour mit unseren alten Krädern zu unternehmen.

Armin

Peter war kurz vorher mal in Bamberg und schwärmte von der schönen Altstadt und von Schweineschäuferla mit einem Rauchbier im Schlenkerla. Und weil die Herren älter werden, und das Sitzfleisch nachlässt, sollten für Hin- und Rückfahrt je zwei Tage zur Verfügung stehen. Peter kümmerte sich um die Unterkunft in Bamberg, Alois um die für die Rückfahrt und ich buchte die Betten für die Übernachtung auf der Hinfahrt. Außerdem verbrachte ich einen halben Tag damit, eine möglichst ansprechende Landstraßenroute auszuarbeiten, sowie auf dem Weg gelegene Übernachtungsmöglichkeiten zu recherchieren. Gerd war auf einer kleinen Familienreise in den Niederlanden und wollte rechtzeitig zurück sein. Als einziger Unsicherheitsfaktor erschien uns das Wetter. Wie man sich täuschen kann…

Eine Woche vor der Tour wurde ausgerechnet ich selbst zum Wackelkandidaten. Der kurzfristig notwendig gewordene Krankenhausaufenthalt eines Familienmitglieds schien mir einen Strich durch die Rechnung zu machen. Entgegen der Erwartungen kam es aber am Tag unserer Abreise zur Klinikentlassung, so dass ich doch mitfahren konnte.

Startklar: Keine sommerlichen Temperaturen, aber bestes Wetter beim Start.

Am ersten Tag wollten wir eine Strecke unter die Räder nehmen, die mir aus vergangenen Jahren halbwegs vertraut war, denn ich hatte sie immer zu Ago genommen. Kaum war ich am frühen morgen aus den Federn, rief Gerd an. Er fiel leider erst mal aus, besser hätte er auf das letzte Fischbrötchen bei den Holländern verzichtet. Alois und Peter trudelten dann bei mir ein, Peter hatte sich kurzfristig gegen seine Honda CB 750 FOUR entschieden und stattdessen die BMW R75/5 aus dem Stall geholt. Auch diese Entscheidung sollte sich wie das Fischbrötchen als nicht ganz folgenlos erweisen. Als ich die gelegentlichen ‚Pubse‘ seines Bayern-Boxers ansprach, meinte er noch, das sei normal.

Wir kreuzten das Siegtal in Eitorf und nahmen die B8 bis Altenkirchen. Von dort ging es weiter vorbei an der Westerwälder Seenplatte nach Limburg. Ab Limburg nahmen wir bis Weilburg die inzwischen vierspurig ausgebaute Strecke nach Weilburg, wo wir die Schnellstraße wieder verließen. Am Ortseingang von Weilburg quittierte dann Peters Boxer plötzlich den Dienst. Kompletter Stromausfall.

Zwangspause in Weilburg.

Schnell hatten wir aus meinem Tankrucksack Werkzeug und Starthilfekabel parat, Alois steuerte die Prüflampe bei. Die Sicherungen waren intakt, blieben also Lichtmaschine, Regler und Batterie als Verdächtige. Nach entsprechendem Einsatz der Prüflampe war klar, dass es die Batterie ist. Meine Honda gab Starthilfe, und solange der Motor lief, konnte Peter weiterfahren, er durfte ihn nur nicht ausgehen lassen.

Die Sicherungen im Scheinwerfer waren intakt.
Es ist schon angenehm, wenn man mit erfahrenen Schraubern unterwegs ist, die ruhig bleiben und wissen, was zu tun ist.

Auf kaum befahrenen Straßen ging es weiter über Usingen und Ober-Mörlen nach Friedberg. Dort legten wir erst mal eine Kaffee-Pause ein, die Peter für eine kleine Online-Recherche per Smartphone nutzt. Dann folgt ein Telefonat mit Uli’s Motorradladen in Frankfurt, der als Spezialist für alte BMW tatsächlich eine passende Batterie in den sehr ungewöhnlichen Abmessungen vorrätig hat. Schnell war die Entscheidung getroffen, den Umweg über Frankfurt zu machen, um die immer wieder notwendige Starthilfe unterwegs unnötig zu machen.

Da grinst er wieder: Sobald der Kuchen verspeist ist, geht’s nach Frankfurt die neue Batterie abholen.

Peter startet seine Handy-Navigation und wir machen uns Richtung Frankfurt auf den Weg. Die BMW wird kurzerhand angeschoben. Das sollte dann im Frankfurter Feierabendverkehr mit den extrem kurzen Grünphasen auch immer wieder notwendig werden. Inzwischen ist es doch sommerlich warm geworden und wir und die Motoren schwitzten. Insbesondere nach den Schiebestarts. Die Batterie wude auf dem Gehweg schnell gewechselt, dann geht es zurück Richtung Ranstadt, wo Ago für uns einen Tisch im Bürgerhaus reserviert hat. Nachdem wir das Gepäck schnell in unserer Unterkunft abgeladen haben, geht es zu einem guten gemeinsamen Essen. Und siehe da: Die BMW pubst nicht mehr.

Im Bürgerhaus in Ober-Mockstadt herrscht nicht der gastronomische Mangel, den wir im Sauerland erlebt haben.

Tags darauf geht es über kleine Landstraßen bis nach Bad Orb. Ab hier beginnt der für meinen Geschmack schönste Abschnitt der Strecke. Aus Bad Orb heraus führt uns eine gut ausgebaute kurvenreiche Strecke bergauf durch einen herrlichen alten Fichtenwald mit mächtigen Bäumen. Während im Bergischen Land und im Sauerland riesige Fichtenbestände den drei trockenen Sommern und dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen sind, scheint hier alles noch bestens intakt zu sein. Auf der anderen Site des Höhenzugs geht es lange bergab und der Fichtenwald wird durch schöne kleine Täler, deren Bachläufe noch naturbelassen sind. Nur ab und zu gibt es einen Bauernhof oder einen kleinen Ort, und es herrsch fast gar kein Verkehr, wir haben die Landstraße für uns.

Ab und zu muss man sich mal die Beine vertreten.
Alois ist glücklich mit seiner Norton Commando. Sie lief nach dem Neuaufbau die gesamte Tour völlig störungsfrei und machte keinen Ölfleck, ja hatte noch nicht einmal Ölnebel an einer Dichtung. Gute Arbeit!

Nach und nach frischt der Wind auf, und es ziehen immer mehr Wolken auf. Über Bad Brückenau, Bad Kissingen und Schweinfurt geht es weiter Richtung Bamberg. Auf einem gut ausgebauten Streckenabschnitt habe ich dann eine Begegnung der besonderen Art. Ziemlich genau auf der Mittel-Linie liegt ein überfahrener Vogel. Den hat ein ausgewachsener Bussard ins Visier genommen. Urplötzlich kommen zwei weit ausgebreitete Flügel mit bemerkenswerter Spannweite und zwei bedrohlich ausgestreckte Krallenfüße von vorne oben auf mich zugeschossen. Blitzschnell tauche ich hinter dem Tankrucksack ab und ziehe das Genick ein. Zum Glück reagiert der Bussard genauso schnell und wir rasen knapp aneinander vorbei.

Wir erreichen Bamberg trocken, und kaum haben wir die Motorräder vor dem Hotel aufgebockt, werden wir wie so oft von interessierten Passanten angesprochen. Diesmal trifft es Alois und die Norton. Während Peter die Zimmer klar macht, denke ich mir beim Anblick des Hotels: „Da hätten sie uns zu Beginn unserer Motorradkarriere in den Siebzigern zum Teufel gejagt…“

Mitten in der Altstadt: Der Bamberger Hof und unsere Klassiker davor.

Peter und Alois kennen Bamberg ein wenig und Peter übernimmt eine kleine Stadtführung. Bamberg ist wirklich schön, und wie immer müsste man eigentlich mehr Zeit haben.

Überall gibt es Kanäle, Flussläufe und Wehre.
Die Altstadt ist sehenswert.
Zunehmend wichtig: Auch an die unrühmlichen Zeiten unserer Geschichte…
…wird erinnert.
Immer wieder öffnen sich schöne Ausblicke.

Schließlich kehren wir ein und ich komme in den Genuss eines ‚aechten Schlenkerla Rauchbier‘. Je nach Brauerei unterscheidet sich der rauchige Geschmack deutlich. Und mir geht es damit, wie mit dem Single Malt: Zu rauchig ist nicht mein Fall.

Während Peter und Alois dazu ihr lang ersehntes ‚Schweineschäuferla‘ verspeisen, ist mir mehr nach etwas Frischem…

Als wir am anderen Tag die Motorräder aus der Tiefgarage fahren, ist es deutlich kühler und es nieselt. Schnell sehen die Motorräder nicht mehr so hochglanzpoliert aus, aber mich stört das nicht sehr. Ich erinnere mich eher daran, wie die Honda oft nach mehreren Wochen und etlichen tausend Kilometern on the Road ausgesehen hat. Und ich bin froh, dass ich mich deutlich wärmer angezogen habe, als an den Tagen zuvor. Schließlich weiß ich von zahllosen Motorrad-Reisen, wie sehr man auskühlt, wenn man lange Strecken bei niedrigen Temperaturen fährt. Wir folgen wieder meinem Routenplan, aber irgendwo übersehe ich die Abzweigung. Nun passiert, was ich eigentlich vermeiden wollte: Wir landen zu weit nördlich und fahren auf Fulda zu. Da der Akku im Navy von Alois aufgegeben hat, übernimmt Peter nochmal per Handy-Navigation die Führung. Über schöne kleine Straßen geht es Richtung Schotten, unseren letzten Übernachtungsort. Die letzten Kilometer führen uns durch eine schöne Landschaft auf den Hoherodskopf und 600 Meter über dem Meer. Und es ist ziemlich frisch da oben, obwohl inzwischen wieder die Sonne scheint.

In Schotten stößt dann Gerd noch dazu. Er hatte auf der Strecke wohl heftige Regengüsse. Immerhin: Seine Stiefel sind dicht, das Wasser bleibt drin.

Fischbrötchen und Wolkenbruch hat er überstanden…

In Schotten finden wir einen guten Italiener und lassen später an der Hotelbar bei einem Absacker den Tag ausklingen.

Auch Schotten hat eine schöne Altstadt, und gleich da vorne um die Ecke ist ein guter Italiener.

Am anderen Morgen fahren wir nun zu viert über Laubach, Lich, Münzenberg, Waldsolms Richtung Weilburg. Die kleinen Straßen machen Spaß, Sonne und Wolken wechseln sich ab, aber es bleibt trocken. Allerdings ist es wieder ziemlich kalt.

15 Minuten später sind die Alteisen beladen und es geht weiter.

In Weilburg gibt es statt Mittagessen wie jeden Tag auf dieser Tour das obligatorische Stück Kuchen und einen Kaffee oder Cappuccino. Und dies ist definitiv der beste Cappuccino auf dieser Tour. Ab Weilburg übernimmt Alois dann die Führung, da er eine nette Alternativroute kennt. Und als wir schließlich vor seiner Haustüre ausrollen, gibt es nur zufriedene Gesichter. Auch ich freue mich, die Fahrwerks-Sanierung hat eine deutliche Verbesserung gebracht, Kurven machen wieder richtig Spaß. Und die kleine FOUR hat wieder spielend mit den deutlich hubraumstärkeren Motorrädern mitgehalten.