Praktische Fahrpraxis oder eine praktische Fahrprüfung gab es nicht, Helmpflicht auch nicht. Aber der tödliche Mofa-Unfall des Sohns der Nachbarn wäre mit Helm vermutlich weniger dramatisch ausgegangen, also kaufte ich dem Kreidler-Anbieter auch gleich seinen Integralhelm ab. Integralhelme waren da noch der letzte Schrei.


Und natürlich wurde notgedrungen geschraubt, schon zwei Stunden nach dem Kauf streikte der Zweitakter zum ersten Mal. Mit dem Schrauben kam dann auch das ‚frisieren‘, schon bald lief das Mokick annähernd doppelt so schnell wie zulässig.
Mit 18 kam der ‚große‘ Führerschein, die damalige Klasse 1 erlaubte das Fahren aller Motorräder. In die ‚graue Pappe‘ wurde einfach per Stempel und Schreibmaschine die Erweiterung eingetragen. Zahllose Regenfahrten mit unzureichender Kleidung durchnässten nicht nur mich, sondern wuschen auch den Stempel fast vollständig raus.




Der 125er folgte schon ein Jahr später dann die 400 FOUR. Sie war der Kauf meines Lebens und begleitet mich bis heute. Vor einer Woche habe ich auf unserer Bamberg-Tour die 180 000 km voll gemacht. In 47 Jahren bin ich nur einmal nicht auf eigener Achse nach Hause gekommen.



Über diese lange Zeit entstehen natürlich gewisse Gebrauchsspuren am Motorrad. Die Honda wurde nie restauriert, nur mal umgebaut, verschönert, modifiziert, repariert --- eben am Laufen gehalten. Und die ersten 15 Jahre wurde sie zu jeder Jahreszeit bewegt und fristete meist ein Dasein als ‚Laternenparker‘.

Es kamen andere Motorräder dazu, aber die Honda blieb. Bald kam eine neue Variante dazu, die Rennstrecke rief. Und da blieben dann auch gelegentliche ‚Kampfspuren‘ nicht aus. Auch hier war mein Focus aber auf technische Funktionsfähigkeit, nicht auf Showroom-Qualitäten gerichtet.


Tatsächlich habe ich vor einigen Jahren mal darüber nachgedacht, die 400er komplett zu restaurieren. Aber ihre und meine ‚Abnutzungserscheinungen‘ haben wir gemeinsam erworben. Sie in den Neuzustand zu versetzen, würde sie unserer gemeinsamen Geschichte berauben.





Jede Macke, jede Sturzspur erzählt ein Stück unserer gemeinsamen Geschichte. Ich habe mich längst dafür entschieden, genau so weiter zu machen: Fahren, Schrauben, instand halten, und erst sanieren, wenn die Grenze zum Gammel überschritten ist. Schließlich geh ich auch nicht zum Schönheitschirurgen und lasse Falten straffen.




Die CB 72 im Renntrimm, die mir vor einiger Zeit zugelaufen ist, hat mich mit ihrer wirklich schönen Patina begeistert, und in meiner Haltung bestärkt. Und ich bin nicht alleine damit. Patinierte Motorrad-Klassiker mit Historie erzielen auf Versteigerungen inzwischen meist höhere Preise als piekfeine, aber sterile Restaurierungen.

Und schließlich gibt es ja auch das sauber wie neu aufgebaute Gegenstück einer 400er in der Familie. Aber auch dieses Motorrad wird nach und nach Gebrauchsspuren bekommen und damit Geschichten erzählen. Auf die nächsten Jahre mit den Honda CB 400 FOUR Super Sport! Ein paar Ideen für Touren hätte ich da schon…

